Vorwort von hubersn: Jeder große Blog veröffentlicht regelmäßig Gastbeiträge. Vermutlich ist die Kausalität dieser Korrelation so, dass der Blog erst mal groß wird und dadurch zu Gastbeiträgen kommt. Ich versuche es jetzt mal andersrum. Denn das Schicksal wollte es so, dass mein lieber Freund und Kollege Roland ein ähnliches Schicksal erfuhr wie ich – ein hoffentlich nur temporärer, kurzer Wechsel von einem „Wunschfahrzeug“ zu einem „war-gerade-übrig-Fahrzeug“. Da hier im IT-Blog regelmäßig über schlechte Usability und bescheuerte Oberflächen geschimpft wird, erschien mir sein Beitrag sehr passend – mein Beitrag zu diesem Thema folgt demnächst. Aber genug der Vorrede, lassen wir Roland zu Wort kommen…
Es war ein trauriger Tag. Ich verabschiedete mich nach drei Jahren von meinem geliebten, geleasten Firmenwagen. Der Nachfolger sollte ein A5 Cabrio werden… aber mein Chef hatte eine andere Idee.
Und so erlebte ich völlig neue Erfahrungen. Ich hätte nicht gedacht, dass Audi noch so viel Vorsprung durch Technik hat. Aber eins nach dem anderen. Ein Jetzt-Ex-Kollege hat einen wenige Monate neuen Volvo V90 hinterlassen und mein Chef sagte, jetzt fährst Du den mal. Ich sagte maximal ein Jahr – ich hatte da so eine Vorahnung. China und Schweden. Geht das gut?
Guten Mutes fuhr ich also mit dem V90 los. Ich fahre jede Woche gut 400 Kilometer Autobahn und da ruft mich gerne eine Kollegin an. Auf einer der ersten Fahrten war das mal wieder der Fall. Auf dem BlackBerry unserer Firma hat sie mich nicht erreicht. Warum? Ich habe es bisher nicht geschafft, dem Volvo beizubringen, dass ich zwei aktive Mobilverbindungen benötige. Vielleicht lese ich doch irgendwann die im Auto integrierte Anleitung, die man nur im Stand lesen kann. Es gibt ja keine Beifahrer, die während der Fahrt lesen können – so etwas ist in Europa nicht denkbar. Zum Glück kennt meine Kollegin meine private Nummer. Ich gehe ans Telefon, wir sprechen kurz. Dann fragt sie mich leicht verwirrt, was ich denn gerade mache. Sie dachte, ich wäre im Auto unterwegs. Ich sage, dass ich im Auto unterwegs bin. Sie meint, es gäbe so laute Nebengeräusche und sie versteht mich so schlecht. Ich sage nur: „Ich fahre jetzt Volvo“.
Die schönste Neuerung im Volvo ist das große, glänzende Touch-Display über der Mittelkonsole. Da freut man sich. Super hell und nur im Nachtmodus dimmbar. Ja, tatsächlich funktioniert der Drehknopf links neben dem Lenkrad nur im Nachtmodus – wirkt sich aber selbstverständlich auf den Tagmodus aus. Man muss also einen Tunnel finden, um tagsüber die Einstellung zu ändern. Schon mal das Wort Benutzerfreundlichkeit in Schweden gehört? Nix „lindra“ im Volvo.
Das ist aber nicht die größte Schwäche des tollen Displays. Das ist der Touch selbst. Man wird wahnsinnig in Kombination mit Android Auto. Ob es an Google oder Volvo liegt ist mir egal. Im Stand kann man Audible, Amazon Music und Google Maps wenn man sich am Rand des Displays festhält ja noch halbwegs bedienen. Aber während der Fahrt wird das zum Geduldsspiel. Man tippt lässig, um eine Aktion auszuführen. Das Display scrollt hoch und runter ganz munter aber Aktionen ausführen – seltenst. Da muss man vorausschauend fahren und an roten Ampeln die Playlist auswählen – mit ruhiger Hand. Wer keine ruhige Hand hat – Finger weg vom Volvo!
Es gibt ein zweites, mattes Display hinter dem Lenkrad. Vom Audi gewohnt, suche ich heute nach 6 Monaten immer noch nach dem Schalter, welcher die Karte da vorne verdrängt und mir sinnvolle Dinge anzeigt. Fehlanzeige. Oder zu gut versteckt im Handbuch? Tipps nehme ich gerne entgegen.
Von A nach B fährt inzwischen jedes Auto. Wenigstens meistens. Mein Audi konnte bei 220 km/h noch die Kurve alleine fahren. Beim Volvo ist bei knapp 140 km/h Schluss. Ist ja klar. Die Schweden haben sich für die Höchstgeschwindigkeit 120km/h entschieden. Da darf man alles darüber nicht testen und schaltet einfach ab. Und dann ist der Volvo ein Nervenbündel beim Spurhalten. Zuckelt links und rechts anstatt ruhig und elegant wie der Audi zu fahren. Was für ein Rückschritt zu einem mindestens drei Jahre älteren Audi. Vorsprung durch Technik kann ich da bestätigen.
Man erträgt es halt und wendet sich den guten Dingen im Volvo zu. Die Sitze sind wirklich gut. Leder. Und der Volvo speichert alle möglichen und unmöglichen Einstellungen in einem Fahrerprofil im Schlüssel. Leider auch wenig durchdacht. Ich würde lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Umluft kann man auch ganz einfach mit wenigen Berührungen der sehr großen Schaltflächen aktivieren. Umständlicher als jeder Knopf wie man es von früher kennt. Vor Touch im Auto. Gute Zeiten waren das, sage ich euch. Mit viel Tippen und Wischen findet man viele Einstellungen. Während der Fahrt nur ratsam, wenn man den Zappelphilipp von Pilot-Assistent aktiviert. Und immer schön hin- und herschauen, ob im matten Display das Lenkrad grün ist, sonst zappelt nichts mehr von alleine am Lenkrad. Dann ist der Assistent plötzlich aus.
Lustig – eher traurig – ist auch der Assistent, der verhindern soll, dass man beim Rückwärts- oder langsam Vorwärtsfahren nichts beschädigt. Das Ding geht aber manchmal plötzlich aus und man merkt es nicht. Damit ist es irgendwie sinnlos geworden, oder?
Zur Verarbeitung: Ich habe Grünschnitt transportiert und die klapprige Kofferraumabdeckung entfernt. Danach schnell wieder einbauen. Denkste. Die rastet irgendwie nicht ein. Ich wollte schon den Hammer holen. Beim Audi flutscht das nur so. Klack und fertig. Okay. Beim Audi wiegt das Ding das Zehnfache. Wirkt solide und funktioniert. Und dann frisst die Volvo Abdeckung auch noch eine Ecke meiner besten Wellensteyn-Jacke! Die Ablage oben sollte man niemals für Jacken benutzen! Das steht bestimmt im Handbuch. Habe ich ja nicht gelesen. Bin da halt noch Papier gewöhnt. Beim Öffnen frisst der Einzug die Jacke an und gibt sie nicht mehr her! Schließlich musste ich die Jacke herausreißen und damit eine Ecke am Kragen abreißen.
Neulich dann der Höhepunkt. Mein Chef fährt mit und ist ganz begeistert, wie toll das Auto ist. Nun muss man wissen, dass mein Chef das älteste Technik-Kind der Welt ist, Porsche fährt und jeden Technikschnickschnack liebt. Er kennt sich aus und steigt ein und meint, dass man da aber toll sitzt und das wäre ja ein super Display. Wow! Gestochen scharf. Ich meine nur: Aber nicht bedienbar – touch.
Das probiert der Chef begeistert aus und will mit Google Maps das Ziel eingeben. Er versucht den Knopf für das Mikrofon auszulösen. Wir fahren bereits. Beim 5. Versuch klappt es – wir stehen an der Ampel. Google findet das Ziel und Chefe will es auswählen zum Starten der Navigation. Im Heslacher Tunnel beweise ich ihm, dass man das Display tatsächlich abblenden kann – nur im Tunnel. Schon nach dem Tunnel schaffen wir es die Navigation zu starten. Jetzt bräuchten wir wieder einen Tunnel, damit wir das Display wieder heller machen können. Google lenkt uns nach rechts vorbei am nächsten Tunnel. Blöd gelaufen.
Ich denke, beim nächsten Gespräch mit meinem Chef gesteht er mir im Frühjahr ein Cabrio zu. Ich bin ja als Bereichsleiter durchaus ein Mitarbeiter, den man halten will, oder?
Roland